Manches, was zum selbstverständlichen Formbestand des heutigen Erzählens gehört, mußte einst in kühner Abweichung von den überlieferten und gesicherten Mustern erschaffen werden. Von derartigen großen und kleinen literarischen Ereignissen handeln die hier zusammengestellten Aufsätze. Sie stellen Werke oder Autoren vor, die den geltenden Diskurs durchbrechen und eine neue Erzählgrammatik erproben, um etwas Unsichtbares, eine noch nicht formulierte Facette unserer ständig im Wandel begriffenen Wirklichkeit zu erfassen und sinnlich erfahrbar zu machen. Wenn die Betrachtung sich einerseits dem eigenen Imaginationsraum von bekannteren Autoren unseres Jahrhunderts zuwendet, bleibt andererseits die unmittelbare Gegenwart nicht ausgeklammert. Ein Hauptteil gilt einer Reihe jüngerer Erzähler, die abseits der ausgetretenen Pfade ihren Weg suchen und einer breiteren Öffentlichkeit noch kaum bekannt sind. Doch mit einem kritischen, hochsensiblen Gespür für das vielschichtige und problematische Lebensgefühl unserer Zeit sowie mit einer erfinderischen und professionell erarbeiteten Diktion bringen einige von ihnen einen neuen und überraschenden Ton in die französische Epik. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit verfolgt der Band einige Spuren, auf denen französische Erzähler mit ihrem innovativen Schaffen den Leser in eine zu ihrer Zeit noch befremdende Sicht der Welt, zu einer neuen Erfahrung des Daseins mitnehmen. Gerda Zeltner