Gewölbe des Himmels Kalender 2005 [Nicht gebunden]

Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag) FerdydurkeOT Ferdydurke OA 1938 DE 1960Form Roman Epoche Moderne, ZwischenkriegszeitIn seinem von grotesker Komik und von anarchischem Sprachwitz erfüllten »Rückbildungsroman« kritisiert Witold Gombrowicz drei gesellschaftliche Lebensumfelder: die Schule, das liberal-fortschrittliche städtische Milieu und das konservative Milieu des polnischen Landadels. Mit einer Darstellungstechnik, die fiktionale und nicht fiktionale Elemente vermischt, macht Gombrowicz auch den Akt der künstlerischen Formgebung und damit den Prozess des Schreibens selbst zum Thema.Inhalt: Der Held und Ich-Erzähler, der 30-jährige Autor Józio, dessen Erstling von der Kritik als künstlerisch unreif abgetan wurde, wird von Schulmeister Pimko in einen 17-Jährigen verwandelt und nochmal auf das Gymnasium geschickt. Dort ist er gezwungen, die Qualen der »Popoisierung« (Infantilisierung) und einer altmodischen, geisttötenden Schulausbildung über sich ergehen zu lassen. Seine Mitschüler Siphon und Mjentus zetteln einen pubertären Streit an, der in einem Duell im Grimassenschneiden und in einer Schlägerei endet. Die zwangsweise »Popoisierung« Józios wird fortgesetzt, als er von Pimko als Logiergast in dem »progressiven« Haushalt der Ingenieursfamilie Mlodziak (Jungmann) untergebracht wird. Mit großer Mühe befreit er sich von dem ihm aufgezwungenen Verliebtsein in die »moderne« Tochter des Hauses, die Oberschülerin Sutka, als er durch eine Intrige Pimko und einen Mitschüler nachts in Sutkas Zimmer einbestellt und einen Skandal inszeniert; das Doppel-Rendezvous endet im Chaos und Handgemenge. Zusammen mit Mjentus, der von der Idee besessen ist, sich mit dem Volk zu verbrüdern, zieht Józio aufs Dorf, wo es sie zum Landsitz seiner aristokratischen Verwandten verschlägt. Der Versuch von Mjentus, sich mit einem »Bauernbengel« zu verbrüdern, bringt die althergebrachte Ordnung der Landadeligen ins Wanken und führt zu einem Aufruhr unter den Bauern.Aufbau: Der Roman gliedert sich in drei Teile, die den drei Haupthandlungsorten entsprechen (Gymnasium, Ingenieurshaushalt und Adelshaus) sowie den drei Phasen der Infantilisierung des Helden und seiner Aufbäumung gegen die Zwänge der Form. Der Ablauf der Episoden ist immer wieder derselbe: Die Beteiligten werden mit der »Fresse« (»geþba«), mit einem fremden Formprinzip konfrontiert; durch die Infantilisierung, den »Popo« (»pupa«), wird ihre Reife infrage gestellt; was zum »Haufen« (»kupa«), zum chaotischen Durcheinander und Kampfgetümmel führt. Gombrowicz verdeutlicht die Dreiteilung noch dadurch, dass er zwischen die Episoden zwei allegorische Erzählungen mit essayistischen Vorworten einfügt. Die fiktionalen Einschübe sind mit der eigentlichen Romanhandlung durch gemeinsame Motive (vor allem das des Duells) verknüpft. In den nicht fiktionalen Einschüben werden die Leitideen des Romans von der Unausweichlichkeit der Konventionen, von dem Zustand des Menschen zwischen Reife und Unreife, zwischen Form und Formlosigkeit theoretisch begründet und variiert.Wirkung: Ferdydurke brachte Gombrowicz 1968 eine Nominierung für den Nobelpreis ein. Von dem Roman liegen Übersetzungen in über einem Dutzend Sprachen, mehrere Bühnen- und eine Filmfassung vor. M. Sch.
— Dieser Text bezieht sich auf eine vergriffene oder nicht verfügbare Ausgabe dieses Titels.

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